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Jupp Gauchel


Aquarelle
Why keep a human in the loop
Laminattafeln


Kunstverein Rastatt 2010
Deutsches Architekturmuseum 2006
Galerie Herter Volz Windte 1986


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© Jupp Gauchel. Alle Rechte vorbehalten.
High Pressure Laminate
HPL
Laminat der Art High Pressure Laminate / HPL, wie es in erster Linie für Möbel, Fussböden und Wandverkleidungen verwendet wird, ist ein robustes, pflegeleichtes und gegebenenfalls auch dekoratives Oberflächenmaterial, das auf Trägermaterialien furniert wird, die selbst nicht über entsprechende Oberflächenqualitäten verfügen – Beispiel Pressspanplatten. Die Materialien für seine Herstellung sind mehrere Spezialpapiere, in der Regel ein Overlaypapier, das weitgehend aus Melaminharz besteht, ein dünnes Dekorpapier, das beliebig eingefärbt oder bedruckt werden kann und eventuell auch Melaminharz enthält, sowie drei, vier grobfaserige Trägerpapiere, die mit Phenolharz getränkt sind. Die Papiere, das Overlay- und Dekorpapier zuoberst, kommen in große Heißpressen. Bei dort herrschenden ca. 130 °C Temperatur und 70 bar Druck verbinden sich die beiden Harze, härten aus und verbacken / laminieren so die Papiere zu einem Material. Das Overlay wird dabei transparent, das Dekor sichtbar und die Trägerpapiere sorgen für eine Materialstärke von ca. 0,7 mm. Nebenbei – HPL ist kein Kunststoff, da es nur aus Cellulose und organischen Harzen besteht und auch nicht synthetisch hergestellt wird.

Neben Laminat zu Funierzwecken, das den Großteil der HPL-Produktion ausmacht, gibt es auch Volllaminat. Dazu werden, statt der drei, vier Trägerpapiere, die für das Funieren ausreichen, viele Trägerpapiere verpresst, so dass tendenziell formstabile Tafeln entstehen – Beispiel Frühstücksbrettchen. Die Zahl der Papiere bzw. die Stärke der Tafeln ist frei wählbar und richtet sich in der Regel nach Größe und Verwendung. Die Tafeln verhalten sich gegenüber Luftfeuchte ähnlich wie Produkte auf Holzbasis.
Why keep a human in the loop
WKAHITL
Der Titel der Arbeit ist im Original eine Kapitelüberschrift in einem Buch zum Entwicklungsstand der Programmiermethoden der Künstlichen Intelligenz / KI Mitte der 1980er Jahre. Für Laien kaum verständlich meint sie sinngemäß: „Why not eliminate human experts replacing them with expert systems“ und formuliert so die zentrale Idee von Expertensystemen, nämlich das Wissen von Fachleuten in Software zu codieren, um so viele Aufgaben tendenziell ohne Fachleute erledigen zu können – im Kunstkontext so etwas wie eine Kunst ohne Künstler. Diese Idee und die kryptische, mir poetisch klingende Formulierung haben die Überschrift zum Titel werden lassen.

Meine Absicht war, einen primitiven, technoiden, figürlichen Zeichensatz zu kreieren – mein Afrika – und dabei ausschließlich mit bildnerischen Elementen zu arbeiten, die einen aktuellen, persönlichen Alltagshintergrund hatten. So ist das Original des zweifarbigen Rasters, vor dem alle Figuren / Zeichen stehen, das Design eines Papiers, in das zu je 500 Blatt das Kopierpapier verpackt war, das damals am Lehrstuhl verwendet wurde: Gleiche Proportionen und Farben, etwas vergrößerte Maße. Die Figuren basieren auf Zeichnungen sich funktionsfrei verzweigender Rohrleitungen, die ich damals zuhauf briefmarkengroß gemacht habe. Die weißen Kreisflächen stehen für Rohrquerschnitte, haben aber unmittelbar auch mit weißen Papierklebepunkten zu tun. Die Verbindungen der Kreisflächen stehen für Rohre. Ihr Braun ist das der Abdeckfarbe, die ein Freund bei seinen Siebdruckarbeiten benutzte.

Weiterhin sollte sich das Entwerfen der Figuren an Arbeitsweisen von KI-Algorithmen orientieren und dabei nur einer einfachen Regel folgen, nämlich dass alle Kreisflächen, Kreuzungs- und Stoßpunkte, die eine Figur bestimmen, genau mittig auf Rasterpunkten zu liegen hatten.
Eigentlich wollte ich so mehr als sechzehn Figuren / Tafeln machen, eventuell ein ganzes Alphabet. Die Regel erwies sich aber im Umgang mit den gewählten bildnerischen Elementen und den relativ wenigen Rasterpunkten als so sperrig, dass ich nicht über sechzehn zufriedenstellende hinaus gekommen bin.

Da ich anfangs kaum etwas über die HPL-Herstellung wusste und die von mir konsultierten Fachleute Probleme mit guten Ratschlägen hatten, probierte ich einfach drauf los und fand so heraus, dass es besser war, die Arbeiten in Dekorpapierintarsien umzusetzen, als in irgendeiner Technik auf Dekorpapier aufzubringen. Ich benutzte drei verschiedene Dekorpapiere für die Intarsien: Eines mit dem Weiß der Kreisflächen, ein zweites mit dem Braun der Verbindungen und ein drittes mit dem Hintergrundsraster. Die beiden letzteren ließ ich eigens siebdrucken. Für jede Tafel wurden die drei Papiere übereinander gelegt und die jeweilige Figur durch alle drei hindurch geschnitten, dann die nicht gemeinten Zuschnitte entfernt, so dass die gemeinten Zuschnitte abstandslos in einer Ebene zu liegen kamen. Tendenziell verlangten diese Schneidearbeiten Maschinengenauigkeit, da selbst kleinste, kaum vermeidbare Ungenauigkeiten verpresst als unakzeptable Fehler erschienen.
Computer Images
Laminattafeln HPL
1990 fing ich an, die damals noch neuen Computerprogramme für interaktive Präsentationen zu nutzen – Programme, um einfache Vektorgrafik, Bilder und Geschriebenes zu Dokumenten kombinieren und über Projektoren zeigen zu können. Meine Dokumente sahen von allem Anfang an anders aus, als die weitaus meisten. Augenscheinlich weil ich keine fertigen Layouts, Hintergründe, ClipArts, Animationen etc. benutzte sondern alles weitgehend von Null auf selbst und sehr sorgsam machte. Im Grunde aber, weil diese Arbeit für mich Ersatz für das Malen war. Je mehr mir das klar wurde, begann die Idee zu wachsen, mit diesen Programmen Kunst zu machen. Nicht zuletzt weil sie versprach, ohne eine berufsfremde Nebenwelt organisieren und regelmäßig aufsuchen zu müssen, überall und jederzeit über perfekte Arbeitsmöglichkeiten verfügen zu können. Was anfangs jedoch gänzlich fehlte, war ein belastbarer, inhaltlicher Arbeitsansatz, für den die simplen Funktionen der Programme ausreichend und die Arbeitsmöglichkeiten mit dem Computer hilfreich waren. Dieser Ansatz nahm nur langsam Konturen an bzw. ich habe lange gebraucht, ihm zu trauen. Ich habe die Angewohnheit, in Meetings oder beim Telefonieren vor mich hin zu zeichnen, wobei diese Zeichnungen zumeist schnell vergessen im Papierkorb landen Einige einfache, eher konzeptionelle und durchweg auf Karopapier gemachte Zeichnungen haben es aber geschafft, sich in meinem Kopf festzusetzen, einige schon seit Jahrzehnten. Diese Zeichnungen begreife ich als Motive, die ich in Form von Variationen restlos auszuschöpfen versuche.

Das unternehme ich in PowerPoint, dem gängigsten Präsentationsprogramm, mit dem Grafikprofis aber wohl kaum arbeiten würden, da es ihnen viel zu wenige Gestaltungsmöglichkeiten bietet. Entsprechend klein das Set meiner Arbeitsmittel: einige wenige elementare Grafikfunktionen, sechs, sieben festliegende, plane Farben und Texturen und
ein virtuelles Karopapier als Arbeitsfläche. Ich wende die Funktionen in wechselnden Reihenfolgen auf die jeweilige Zeichnung an, und benutze dabei die Schnittpunkte des Karopapiers als Fangpunkte. Irgendwann bringe ich die Farben / Texturen ins Spiel. Das mache ich, so gut es geht, systematisch und ohne Zielvorstellungen, so dass oft ganze Serien tendenziell unbeabsichtigter Bilder entstehen – unbeabsichtigt in der Form und damit auch hinsichtlich der Assoziationen, die sie bei mir und anderen wecken. Mich überrascht dabei immer wieder, dass sie weder zufällig noch kalkuliert wirken und dass meine wenigen Mittel die Zahl der Möglichkeiten kaum einzuschränken scheinen.

Die Images lassen sich verschieden realisieren. Von allen mir sinnvoll erscheinenden Alternativen, habe ich stets eine Realisierung als Wandbilder favorisiert. Über das Wie war ich mir lange unklar, bis Ende 2006, als zwei große Laminattafeln, die ich 1986 gemacht hatte, in der Ausstellung „Original Resopal“ im Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt gezeigt wurden. Die dabei geknüpften Kontakte zu Vertretern der HPL-Industrie machten es dann naheliegend, auch meine neuen Bilder als Laminattafeln produzieren zu lassen. Welche Bilder ich dazu auswähle, ist allein Sache meines Dafürhaltens, ob sie allein für sich bestehen können. Mir liegt nichts daran, den generativen Prozess ihrer Herstellung zu thematisieren. Da er meine Arbeit prägt, wird er sich dem Betrachter sowieso, wenn auch vielleicht nur ansatzweise mitteilen.

Die Bilder werden, gemäß dem aktuellen Stand der Technik und damit anders als meine Tafeln von 1986, als Digitaldrucke auf Dekorpapier und, wie schon in 1986, als Volllaminate realisiert. Da sie keine definierten Maße haben (Vektorgrafik), sind die Größen der Tafeln prinzipiell frei wählbar, praktisch aber nur im Rahmen der Formate der Heißpressen. Dass diese nur Tafeln mit einer maximalen Höhe bzw. Breite von ca. 130 cm zulassen, ist tendenziell
eine Einschränkung. Die Tafeln werden ohne Rahmung gestellt oder gehängt. Viele Bilder lassen sich auch großformatig über mehrere, benachbarte Tafeln realisieren.

Wesentlich erscheint, dass die Tafeln keine neutralen Trägermaterialien sind, sondern dass sie das Gezeigte als integralen Bestandteil, als ihre jeweils eigene Ansicht einschließen und dabei weitgehend den Charakter von industriellen Halbzeugen wahren. Das macht sie zu besonderen Objekten – im hohen Maße unerwartet und selbstreferentiell und womöglich nicht nur zum Betrachten da.
abstand